🐢 Tilda Schildkröte will die Welt entdecken

Kategorie: Kleinkinder
Lesezeit: 4 Minuten
Themen: Neugier, Abenteuer, Zuhause finden
Tilda war eine ganz besondere Schildkröte. Nicht, weil ihr Panzer besonders bunt war oder weil sie besonders schnell laufen konnte – nein. Tilda war besonders, weil sie neugierig war. Neugieriger als alle anderen Schildkröten in ihrer Familie.
Während die anderen Schildkröten gerne auf dem warmen Stein lagen oder im Teich planschten, träumte Tilda von großen Bergen, weiten Wiesen und neuen Freunden.
„Ich will wissen, was hinter dem Hügel ist!“, sagte sie oft.
„Dort ist einfach… mehr Wiese“, brummte Opa Schildkröte.
„Und vielleicht ein neuer Stein“, gähnte Mama Schildkröte.
Aber Tilda wollte mehr.
Eines Morgens, als die Sonne ganz goldig über die Wiese schien und die Blumen ihre Köpfchen reckten, beschloss Tilda:
„Heute gehe ich los und entdecke die Welt.“
Sie packte ein kleines Blatt als Decke, steckte sich ein Stück Apfel als Reiseproviant unter den Panzer – und los ging’s!
Zuerst kroch sie durch das hohe Gras. Es kitzelte an ihrem Bauch und roch nach Frühling.
Sie begegnete einem Marienkäfer, der gerade auf einem Gänseblümchen landete.
„Hallo!“, sagte Tilda freundlich.
„Hallo!“, sagte der Marienkäfer. „Wo willst du hin?“
„Ich will die Welt entdecken!“
„Ui! Dann pass auf dich auf. Die Welt ist groß – aber auch schön.“
Tilda nickte und kroch weiter.
Nach einer Weile kam sie zu einem kleinen Hügel. Er sah riesig aus für eine Schildkröte. Aber Tilda war mutig.
„Einmal hoch – dann sehe ich bestimmt ganz viel Welt!“, rief sie.
Es dauerte eine Weile. Sie rutschte ein paar Mal ab. Aber sie gab nicht auf.
Oben angekommen, staunte sie:
Vor ihr lagen bunte Felder, ein plätschernder Bach – und ganz weit hinten ein großer, dunkler Wald.
„Oh! Da muss ich hin!“, rief Tilda.
Sie rutschte auf der anderen Seite des Hügels hinunter – plopp! – und landete auf einem Laubhaufen.
Dort raschelte es. Ein kleiner Igel guckte hervor.
„Hallo!“, sagte Tilda. „Ich bin Tilda. Ich entdecke gerade die Welt!“
Der Igel schnupperte. „Du riechst nach Wiese. Magst du Regenwürmer?“
Tilda verzog das Gesicht. „Nein, danke. Ich hab Apfel.“
Sie setzten sich nebeneinander und knabberten.
„Du bist mutig“, sagte der Igel. „Ich geh selten weiter als bis zur Brombeerhecke.“
„Ich will alles sehen!“, sagte Tilda.
Nach einer kurzen Pause wanderte Tilda weiter. Der Bach glitzerte in der Sonne.
Sie wollte gerade einen Stein überqueren, als ein Frosch aus dem Wasser sprang.
„Quaaak! Wo willst du hin, langsame Freundin?“
„Ich entdecke die Welt!“
„Dann musst du gut springen können!“
„Ich kann nicht springen. Aber ich kann krabbeln. Und klettern.“
„Dann pass auf – die Steine sind rutschig!“
Tilda balancierte vorsichtig über die Steine. Plitsch. Platsch. Ihre Pfoten waren ein bisschen nass, aber sie lächelte.
Hinter dem Bach wurde der Boden weich und dunkel. Sie war am Waldrand angekommen.
Die Bäume waren hoch. Sehr hoch. So hoch wie fünf Tildas aufeinander.
Es roch nach Erde, Moos und Pilzen.
Ein Eichhörnchen huschte vorbei.
„Hallo! Ich bin Tilda.“
„Hallo! Ich bin Flitzi. Was machst du hier unten?“
„Ich entdecke die Welt.“
Flitzi kicherte. „Dann solltest du auch mal die Bäume sehen!“
„Ich kann nicht klettern. Aber ich kann gucken.“
Tilda legte sich auf den Rücken und schaute nach oben.
Die Blätter tanzten im Wind. Sonnenflecken huschten über ihren Panzer.
„Die Welt ist wirklich schön“, flüsterte sie.
Aber langsam wurde es kühler.
Der Wind pustete ein bisschen stärker, und Tildas Bauch knurrte.
„Mein Apfel ist weg. Mein Bauch ist leer. Und mein Zuhause ist… weit weg.“
Ein kleiner Kloß saß nun in Tildas Kehle.
Sie hatte so viel gesehen: Blumen, Hügel, Tiere, Wald – aber sie vermisste ihren warmen Stein. Und die ruhige Stimme von Mama. Und das gemütliche Quietschen von Opa.
„Vielleicht… reicht es für heute“, sagte sie leise.
Sie drehte sich um und machte sich auf den Heimweg.
Der Bach war schwieriger zu überqueren als vorher. Ihre Pfoten waren müde.
Am Hügel brauchte sie länger zum Hochklettern.
Im Gras war es dunkler geworden.
Doch als sie über den Hügelrand kroch, sah sie es:
Ihr Stein. Ihre Familie. Ihr Zuhause.
Mama Schildkröte lag in der Sonne. Opa schnarchte leise. Ihre Geschwister spielten im Sand.
„TILDA!“ riefen sie, als sie sie sahen. „Wo warst du?“
Tilda lächelte. „Ich war… die Welt entdecken.“
„Und? Wie war sie?“, fragte Mama.
Tilda setzte sich auf ihren Stein. Der war warm, vertraut und wunderbar.
„Die Welt ist groß, und sie ist wunderschön“, sagte sie. „Aber Zuhause ist sie am schönsten.“
Dann holte sie sich ein neues Stück Apfel, kuschelte sich an Mama – und erzählte von Marienkäfern, Fröschen, Flitzi und dem glitzernden Bach.
Und während die Sonne langsam unterging, dachte Tilda:
„Ich werde noch viele Abenteuer erleben. Aber immer wieder zurückkommen. Denn meine Welt beginnt genau hier.“
Ende.




